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Wie habe ich mich über die Figur des Ich-Erzählers, dem jungen Marcel, in diesem zweiten Band aufgeregt, mit ihm geschimpft, gelangweilt und dann doch wieder in seinen herrlichen Beschreibungen von Kleinigkeiten dahinschmelzen lassen. Die Suche nach der verlorenen Zeit verlangt wirklich einiges vom Leser ab. Handlungsarm, metaphernreich, geschwätzig, poetisch, in meinem Augen mit Lebensweisheiten versehen, die zwischen billigen Abreißkalendern und Philosophiebuch dahinschwänzeln mit ihren langen Schachtelsätzen. Da hab ich noch überlegt, wie ich dieses Lesevergnügen letztlich bewerten soll, da entlässt mich Marcel mit dem letzten Satz des Romans derart beseelt von dem Augenblick, da er nach der Sommerfrische am Meer wieder nach Paris zurückgekehrt ist und am Morgen seine Zugehfrau F. ins Zimmer tritt, dass ich nur eine gute Bewertung abgeben kann:
„Und während Francoise die Nadeln von den Fensterriegeln entfernte, die Stoffe abnahm, die Vorhänge aufzog, gleißte der Sommertag, den sie enthüllte, so tot, so zeitlos wie eine prunkvoll konservierte, jahrtausendealte Mumie, die unsere alte Dienerin vorsichtig aus ihren Leinenbinden schälte, bevor sie sie, in ihrem goldenen Gewande einbalsamiert, vor mir aufstrahlen ließ.“
Köstlich. Man könnte meinen, dass Marcels Liebesleben, welches über den ganzen Band hinweg so unglücklich verlief, in der Mumie endlich seine Erfüllung erhält. Home, sweet home. Endlich ist das stockkonservative Muttersöhnchen, welches jegliche Veränderungen partout ablehnt (und sei es die neumodische Erfindung eines britischen Sandwiches), wieder zu Hause. Wenn ich etwas zu kritisieren habe, dann ist es Marcel selbst, der in meinem Augen die zwiespältigste Figur des Romans ist, denn einerseits sind seine Menschenstudien und soziologischen Betrachtungen messerscharf und treffend und dann auch wieder derart weltfremd und verallgemeinernd, dass ich mir gewünscht hätte, der Ich-Erzähler würde auch mal Zweifel an seinem eigenen Handeln und Sagen bekommen. Aber diese Wolke des Snobismus, der Hang zur Arroganz, wenn auch zur eher stillen Überheblichkeit eines Introvertierten umweht ihn ständig. Und wenn der blaße Jüngling, noch nie in festen Händen, seitenweise Abhandlungen über die Liebe schreibt, kommt er mir vor wie ein eingebildeter Ahnungsloser. Der Autor zieht seine Figur natürlich nicht ins Satirische, er ist ja selbst die Hauptperson. Vielmehr lästert er eloquent über die Menschen in den Salons der Belle Epoque und das durchaus amüsant und treffend.
Ach ja, das war Band 2. Aber brauche ich wirklich sieben Bände davon? Auf jeden Fall brauche ich erstmal eine Proustpause, denn so wunderschön und zuckersüß seine Sätze sind: man kann ja nicht jeden Tag Sahnetorte essen. Oder Madeleines in den Tee tunken.
„Und während Francoise die Nadeln von den Fensterriegeln entfernte, die Stoffe abnahm, die Vorhänge aufzog, gleißte der Sommertag, den sie enthüllte, so tot, so zeitlos wie eine prunkvoll konservierte, jahrtausendealte Mumie, die unsere alte Dienerin vorsichtig aus ihren Leinenbinden schälte, bevor sie sie, in ihrem goldenen Gewande einbalsamiert, vor mir aufstrahlen ließ.“
Köstlich. Man könnte meinen, dass Marcels Liebesleben, welches über den ganzen Band hinweg so unglücklich verlief, in der Mumie endlich seine Erfüllung erhält. Home, sweet home. Endlich ist das stockkonservative Muttersöhnchen, welches jegliche Veränderungen partout ablehnt (und sei es die neumodische Erfindung eines britischen Sandwiches), wieder zu Hause. Wenn ich etwas zu kritisieren habe, dann ist es Marcel selbst, der in meinem Augen die zwiespältigste Figur des Romans ist, denn einerseits sind seine Menschenstudien und soziologischen Betrachtungen messerscharf und treffend und dann auch wieder derart weltfremd und verallgemeinernd, dass ich mir gewünscht hätte, der Ich-Erzähler würde auch mal Zweifel an seinem eigenen Handeln und Sagen bekommen. Aber diese Wolke des Snobismus, der Hang zur Arroganz, wenn auch zur eher stillen Überheblichkeit eines Introvertierten umweht ihn ständig. Und wenn der blaße Jüngling, noch nie in festen Händen, seitenweise Abhandlungen über die Liebe schreibt, kommt er mir vor wie ein eingebildeter Ahnungsloser. Der Autor zieht seine Figur natürlich nicht ins Satirische, er ist ja selbst die Hauptperson. Vielmehr lästert er eloquent über die Menschen in den Salons der Belle Epoque und das durchaus amüsant und treffend.
Ach ja, das war Band 2. Aber brauche ich wirklich sieben Bände davon? Auf jeden Fall brauche ich erstmal eine Proustpause, denn so wunderschön und zuckersüß seine Sätze sind: man kann ja nicht jeden Tag Sahnetorte essen. Oder Madeleines in den Tee tunken.